Mehr Inseln als Bücher (Pt. III): Die Duta Baca5

Popup-Läden, Lesebotschafter, Tabu-Brüche und das rote Gespenst: Ein Deutscher mit indonesischen Eltern macht sich auf seiner Java-Reise von Jakarta über Solo nach Surabaya auf die Suche nach der lokalen Buchkultur.
Part I: Maesy's Liste
Part II: Kein Winter für „Krieg und Frieden“
Part III: Die Duta Baca

Von der Provinz zurück in die City. Manche Fernwehromantiker kennen Surabaya vielleicht von Kurt Weils Ballade „Surabaya Johnny“. Heute ist die Industrie- und Hafenstadt im Osten Javas mit drei Millionen Einwohnern die zweitgrößte (Stau-)Metropole des Landes.

Vom Matrosen und Herzensbrecher hat Lucky noch nie gehört. Ich treffe die junge Bibliothekarin in der größten öffentlichen Bücherei der Stadt, der Balai Budaya Library. Vor zwei Jahren wurde diese als Beste Indonesiens ausgezeichnet. Gern posiert Lucky für ein Foto neben dem riesigen Siegerpokal.

Wir streifen durch die 300 Quadratmeter große Bücherei. Neben 30.000 Titeln gibt es hier Zeitungen, Zeitschriften, WLAN, PCs und zig Steckdosen zum Handy-Aufladen. So modern und gut sortiert seien die meisten der rund Tausend Bibliotheken im Land nicht, sagt sie. Populär seien vor allem Romane, Kochbücher, religiöse Titel, Biografien und How-to-Ratgeber.

Als ich ihr Maesys’s Liste in die Hand drücke, beichtet sie mir, dass das EDV-Suchsystem leider ausgefallen sei. Es ist ihr merklich peinlich, also wechsle ich das Thema und frage, sie, ob sie denn die „Regenbogentruppe“ von Andreas Hirata gelesen habe. Na klar, sagt sie. (Eine eher rhetorische Frage, zumal sie an eine indonesische Bibliothekarin geht. Der Roman hat eine – für indonesische Verhältnisse astronomisch hohe – Millionenauflage erreicht, Hirata ist der meistgelesene Schriftsteller des Landes. )

IMG_1345Zwei Leseecken sind mit großen Teppichen ausgelegt. Lucky streift ihre Sandalen ab, greift in ein Regal und hält mir die Autobiografie vom aktuellen Präsidenten Joko Widodo vor die Nase. Widodo inszeniert sich gern als ein Mann des Volks, das Buch trägt den Titel seines Spitznamens, „Jokowi“.

Für unser gemeinsames Erinnerungfoto schnappt sie sich das Sachbuch „Kitab Budaya Nusantara“ über die kulturelle Vielfalt des Inselreichs und seine alten Königreiche. Der witzige Klappentext lautet: Nun, um die Vielfalt der Kulturen in Indonesien kennenzulernen, brauchen Sie nicht rund um den Archipel fahren und Millionen von Rupien ausgeben. Sie brauchen nur dieses Buch!“

„Leider werden Bücher immer unpopulärer, weil die allermeisten Leute nur noch ihr Telefon zum Lesen benutzen“, sagt Lucky. Dabei sei doch vieles im Netz viel zu oberflächlich. Noch schlimmer findet sie allerdings, dass Literatur kein Unterrichtsfach in den Schulen ist, noch nicht mal die Klassiker werden gelesen.

Auch darum ist die 24-jährige eine „Duta Baca“ geworden, eine Lesebotschafterin. Ihre Aufgabe: Indonesiens Nachwuchs für das Bücherlesen zu begeistern. „Ich wollte Bibliothekarin werden, da ich die Entwicklung von Lesegewohnheiten ab einem frühen Alter für sehr wichtig halte“, erklärt Lucky. Stolz berichtet sie auch von den rund 1000 Leseecken, die in den letzten Jahren auf Geheiß der Bürgermeisterin in Surabaya entstanden sind, zum Beispiel in Parks, Bahnhöfen oder Krankenhäusern.

Beim Abschied fällt mir das große Banner am Empfang auf. Was denn „Ikhlas Melayam anda untuk mengah lebih cerdas“ zu bedeuten habe? „Wir helfen dir smarter zu werden!,“ sagt Lucky und lächelt.

(to be continued. Part IV: " Anonyme Kuchen vor der Tür“)

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