Toni, Disco, Fukushima: The Germans are Coming

Mit deutschen Filmen tue ich mich etwas schwer. In puncto Kino bin ich US-geprägt: Ich kenne einfach nicht ganz so viele, abseits von Fatih und Fitzcarraldo. Was natürlich total schade und bescheuert ist. Weil: Es gibt ja viele sehr gute deutsche Streifen. Positiv formuliert: Es gibt noch viel zu entdecken! Und neulich hatte ich einen Lauf!

„Toni Erdmann“ (2016)
9/10 Liemettos

Kurz: Einer der besten Filme, die ich in den letzten Jahren gesehen habe. Punkt. Prädikat: Sehr empfehlenswert.

Manchmal gibt es ja diese transzendalen Kino-Erlebnisse, wenn man nach dem Abspann die Tür aufreißt, die kalte Luft aufs Gesicht prallt und man einfach weiß: Wow, watten Film! Ich habe bei „Toni“ laut gelacht (passiert mir eher selten), war tief berührt (nicht ganz so selten) und stets (bei einer Laufzeit von 162 Minuten!) gefesselt. Meinem Sitznachbarn, dem heißblütigen Griechen, kamen einmal sogar die Tränen.

Eine solch virtuose Balance zwischen Komik und Tragik habe ich selten im Kino erlebt. Alle Achtung, Frau Ade!

Peter Simonischek als schrulliger Alt-68er-Vater und Sandra Hüller als seine abgestumpfte Roboter-Business-Tochter sind einfach klasse.

Die schrecklich-wundersame Bukarester Performance-Unternehmensberater-Welt hat mich zudem stark an die Erzählungen meines besten Kumpels u2mo erinnert: Der war mal ein Unternehmensberater – und genau so wie in „Toni“ stelle ich mir den Job vor.

Die besten Kritiken habe ich übrigens bei der Neuen Zürcher Zeitung („Der Widerspenstigen Zähmung“) und in der Zeit („Wer lacht, der lebt noch“) gelesen.

„Ich fühl mich Disco“ (2013)
7/10 Liemettos

Auch diese Tragikkomödie dreht sich um eine Eltern-Kind-Beziehung und den Verlust von Nähe. „Disco“ ist aber auch eine Geschichte über das Erwachsenwerden und das Finden der eigenen Identität.

Heiko Pinkowski als dicker dickhäutiger Turmspring-Trainer und heillos überforderter, aber immer gutherziger Vater eines Nerd-Sohns ist super. Als Mutter plötzlich stirbt, „stürzt sich Flori in von Rachmaninow orchestrierte Tagträume, während Hanno Trost im Schnaps sucht“ (Zeit).

Das alles ist – ein wenig wie bei „Toni“ – sehr witzig (die Anfangssequenz, die Christian Steifen-Cameos, das surrealistische „Mein Sohn ist schwul“-Video, die grandiose Haarschneide-Szene) und zugleich todtraurig und am Ende wunderschön. Love rules, eben.

„Grüße aus Fukushima“ (2016)
6/10 Liemettos

„Jemanden zu vermissen, ist wie mit Geistern zu leben“. Mary-Francoise hatte mir dieses aus Zitat aus „Fukushima“ einmal geschickt und gemeint, dies sei ein „poetischer Film über Verlust, Schmerz, Erinnerung.“

Rosalie Thomass spielt Marie, einen traurigen Clown, der eigentlich in das japanische Katastrophengebiet reist, um Leute wieder zum Lächeln zu bringen. Das verwüstete Fukushima ist Maries Flucht-Destination und Katharsis-Katalysator. Mit Satimo, einer alternden Geisha, quartiert sie sich in einer alten Hausruine in der Todeszone ein, wo sich die beiden gegenseitig helfen, die alten Geister loszuwerden. Nebenbei versucht Satimo aus Marie, der Elefantin, eine grazile Geisha zu machen.

Ich fand schon Doris Dörrie’s „Kirschblüten“ nicht schlecht. Und die apokalyptischen Schwarzweiß-Bilder – mehr als fünf Jahre ist die Katastrophe inzwischen her – sind einfach bildschön.

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